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Frage von Patienten: Wie sollen Schilddrüsenhormone eingenommen werden?

 

Antwort von Dr. Schützler: Die gesamte Tagesdosis soll morgens früh immer um die gleiche Zeit auf nüchternen Magen mit Wasser (auf keinen Fall mit Kaffee oder anderen Medikamenten) eingenommen werden. Bei korrekter Einnahme werden die Hormone in einer halben Stunde resorbiert, danach kann gefrühstückt werden. Wenn die Einnahme nicht korrekt erfolgt, dann werden die Hormone nur teilweise, und im schlimmsten Fall gar nicht resorbiert.

Frage einer Patientin: Nimmt man bei der Einnahme von Schilddrüsenhormonen an Gewicht zu?

 

Antwort von Dr. Schützler: Wenn die Schilddrüsenhormone so dosiert sind, dass sie zu normalen (euthyreoten) Werten führen, sind sie in der Regel gewichtsneutral.

 

Es gibt aber Konstellationen, die bei manchen Menschen zu einer ungewollten Gewichtszunahme führen: So wurde nachgewiesen (Oppenheimer et al. J Clin Invest 87, 1991), dass Ratten die Schilddrüsenhormone (T3) in steigender Dosierung erhalten, etwas mehr essen. Schilddrüsenhormone steigern also den Appetit. Ratten gehen dann aber auch häufiger ins Laufrad und ‚verbrennen‘ die zusätzlich zugeführte Energie. Bei diesen Ratten verändert sich das Gewicht nicht. – Schilddrüsenhormone machen auch den Menschen aktiver und steigern gleichzeitig etwas den Appetit. Wer die Aktivität nicht umsetzen kann (aus welchen Gründen auch immer), der muss mit einer Gewichtszunahme rechnen.

Da zur Substitution nicht das eigentlich wirksame Hormon T3 (Trijodthyronin) verwendet wird, sondern seine Vorstufe T4 (L-Thyroxin), kann es passieren, dass bei geschädigter Schilddrüse (z.B. durch eine HASHIMOTO-Thyreoiditis) die Verwandlung der Vorstufe (T4) in die aktive Form (T3) nicht zeitgerecht gelingt, was dann zwar den Appetit steigert aber nicht den Aktivitätsdrang. Auch diese Menschen können ungewollt an Gewicht zunehmen. Sie sind trotz der Substitution in den Morgenstunden weiterhin müde. In diesem Fall können sie mit einer Kombination von T3 und T4 behandelt werden, womit häufig das Gewichtsproblem beseitigt ist.

Frage einer Patientin: Bekomme ich Haarausfall, wenn ich Schilddrüsenhormone einnehme?

 

Antwort von Dr. Schützler: Wenn man Sonderfälle wie eine iatrogene manifeste Hyperthyreose oder einen plötzlich auftretenden Morbus Basedow ausnimmt, ist das Gegenteil der Fall: Bei guter Einstellung mit Schilddrüsenhormonen gibt es bei Frauen weniger Probleme mit dem Haarwuchs. Ein Haarausfall bei latenter Hypothyreose kann nach Beseitigung dieser Funktionsstörung nachlassen und evtl. ganz verschwinden. Selbst der an und für sich nur schlecht beeinflussbare androgenetische Haarausfall im Klimakterium wird günstig beeinflusst. Das liegt unter anderem daran, dass die Prolaktin produzierenden Zellen in der Hypophyse bei einer etwas höheren Konzentration von T3 im Blut geringer auf einen TRH-Impuls reagieren: Der Prolaktinspiegel sinkt, der Pulsgenerator für Sexualhormone wird nicht mehr durch Prolaktin gebremst und die Ovarien arbeiten wieder etwas intensiver.

Frage von Patienten:  Ab wann ist der TSH-Wert erhöht  (ab 2,5 oder ab 4,0 mU/l) ?

Anwort von Dr. Schützler: 2003 ermittelte Prof. C. Spencer in einer Studie  an 17.000 Teilnehmern einen höchsten TSH-Normalwert von 2,5 mU/l. Sie korrigierte damit den bisher gültigen Grenzwert von 4,0 mU/l. Seitdem gibt es einen 'Krieg' um den 'richtigen TSH-Wert. 2006 wurde im dt. Ärztblatt von den damals wichtigsten Thyreodologen eine Obergrenze von 4,0 mU/l verteidigt. Inzwischen liegen weitere valide Daten vor, die belegen, dass bei einem Wert von >2,5 mU/l bereits klinisch bedeutsame Veränderungen im Fettstoffwechsel vorliegen, die eine Behandlung mit Schilddrüsenhormonen nahe legen. Meine eigenen Erfahrungen zeigen, dass der Wert von 2,5 mU/l als Obergrenze für die meisten Patienten realistisch ist. Es gibt aber auch einzelne Menschen, die haben einen individuell von der Norm abweichenden TSH-Wert. So gibt es z.B. Menschen, die produzieren einen bestimmten Prozentsatz von biologisch inaktivem TSH, welches im Labor zwar gemessen wird, aber nicht biologisch wirksam ist. Bei Verlaufskontrollen können solche Menschen detektiert werden. Manchmal hilft der inzwischen verpönte TRH-Test diagnostsch weiter. In diesen (seltenen) Fällen sollten auch von der Norm abweichende TSH-Werte akzeptiert werden.

Bei Menschem mit gestörtem Biorhythmus (z.B. Schichtarbeitern) kann der TSH-Wert bei einer Blutabnahme zum falschen Zeitpunkt einen diagnostisch nicht verwertbaren TSH-Wert liefern. Die Blutentnahme sollte am Tag - genauer: wenn für diesen Menschen Tag ist - erfolgen. 

Frage einer Patientin: Mein TSH-Wert ist erniedrigt, wenn ich die Hormon-Dosis einnehme, mit der ich mich wohl fühle. Was soll ich tun?

Antwort von Dr. Schützler: Geld liegt nicht auf der Straße, denn es ist sofort wirksam. Es befindet sich in Schatullen, Tresoren oder einem Portemonnaie. Gleiches gilt für Schilddrüsenhormone. Sie befinden sich nicht in einem Portemonnaie aber in einer Eiweißbindung (und in dieser Bindung sind sie biologisch nicht wirksam).

Erst, wenn Sie das Geld auf den Tisch des Kaufmanns legen, ist es sichtbar und wirksam. Erst, wenn die Schilddrüsenhormone die Eiweißbindung verlassen, sind sie ‚frei‘ d.h. wirksam. In der Laboranalyse werden daher nicht T4 und T3, sondern FT4 und FT3 bestimmt. FT4 = Freies T4 (ohne Eiweißbindung) – denn nur dieses ist biologisch aktiv.

Wenn man FT4 und FT3 bestimmt (und nur dann !! ) kann man feststellen, ob eine Fehlfunktion der Schilddrüse vorliegt. Eine offensichtliche (‚manifeste‘) Fehlfunktion ist aber nicht häufig. Die versteckten und sehr viel häufigeren (‚latenten‘) Fehlfunktionen entdeckt man durch Bestimmung des TSH-Werts. Wenn nur der TSH-Wert, nicht aber FT4 und FT3 verändert sind, kann es sein, dass der betroffene Patient bzw. die Patientin nichts bemerkt. Gleichwohl gibt es viele Funktionen, die auch bei einer latenten Fehlfunktion betroffen sind (z.B. die Fertilität einer Frau). – D.h.: auch latente Fehlfunktionen sollten behandelt werden.

Die offiziellen Referenzwerte für TSH gelten für Menschen, die nicht behandelt werden. – Wenn Sie Schilddrüsenhormone einnehmen, werden Sie aber behandelt. Das eingenommene Hormon wird im Magen und im oberen Dünndarm resorbiert und befindet sich dann ohne Eiweißbindung im Blut. Es ist also sofort wirksam. – Sofern Sie nur T4 einnehmen, spielt das insofern keine Rolle, als Sie nichts merken, denn T4 muss, um wirksam zu sein, erst in T3, die eigentliche Wirkform, umgewandelt werden. Klinisch bemerken Sie also: Nichts. – Gleichwohl reagiert der Regelkreis. Und diese Reaktion ist, wenn Sie T3, also die Wirkform, einnehmen noch viel stärker:  Es ist so, als wenn Sie Ihren ganzen Monatsverdienst beim Kauf einer Ware (z.B. Brötchen) auf den Tisch legen: Der Verkäufer hält Sie für eine ‚reiche Frau‘, die zu viel Geld hat und damit um sich wirft. – In Analogie zu meinem Beispiel glaubt die Hypophyse irrtümlich, dass eine vermehrte Produktion von T4 oder/und T3 stattfinden würde. – Folgerichtig wird der TSH-Wert abgesenkt. Dies bedeutet, dass die normalen Referenzwerte für behandelte Menschen nicht mehr gültig sind. Jetzt gibt es neue und individuell festzulegende Referenzwerte für TSH. Sie sind niedriger im Vergleich zu den normalen Referenzwerten. Bei einer Substitution nur mit T4 liegen sie, wenn gut substituiert worden ist, im unteren Normbereich, bei Substitution mit T3 kann TSH völlig supprimiert sein.“

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